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Zwischen Innovation und Illusion: Wo endet Wachstum, wo beginnt Spekulation?

13.10.2025

Künstliche Intelligenz treibt Bewertungen, Technologiekonzerne dominieren die Indizes – und die Märkte eilen von Rekord zu Rekord. Doch wo endet gesundes Wachstum und wo beginnt die Spekulation? In unserem aktuellen Marktkommentar analysieren wir, welche Faktoren auf eine mögliche Aktienblase hindeuten, warum die USA besonders im Fokus stehen – und weshalb wir trotz aller Warnsignale an unserer konstruktiven Aktienausrichtung festhalten.

Die globalen Aktienmärkte erreichen nahezu täglich ein neues Allzeithoch. OpenAI erreicht bei einem für 2025 prognostizierten Umsatz von 12,7 Mrd. USD eine Bewertung von 500 Mrd. USD, was laut Forbes dem aktuellen Vermögen von Elon Musk entspricht. Aktuell mehren sich die Kommentare, ob wir uns schon in einer Aktienblase befinden. Der Aktionär spricht in der letzten Ausgabe (39/25) von „KI Mania“ und das Handelsblatt titelte am 07. Oktober 2025 „Schlimmer als die Finanzkrise? Märkte befürchten Multi-Blase.“ In diesem Artikel möchten wir grundsätzlich einordnen, welche Voraussetzungen es für eine Blase bedarf, wann meistens eine Blase platzt und welche Einschätzung bzw. Positionierung wir verfolgen.

In der Vergangenheit hatten Blasen oftmals ihren Ursprung in einer Kombination von zu expansiver Geldpolitik, einer technologischen Innovation und einer deutlichen Deregulierung, was dazu führte, dass es zu einer übertriebenen Spekulation auf wenige Werte kam, die einen gewissen Hype bedienten. Angefangen von der sog. Tulpenmanie im Jahre 1637, über das Platzen der Dotcom Blase Anfang der 2000er, bis zur Unprofitable Tech Blase (u.a. getrieben von sog. Meme Stocks) aus dem Jahre 2021 kam es in der Historie immer wieder zu starken Kursanstiegen, gefolgt von massiven Kursverlusten. Auffällig dabei waren vor allem die parabolischen Kursverläufe, welche dazu führten, dass insbesondere kurz vor dem Platzen der Blase deutliche Kursgewinne erzielt werden konnten. Wer zu früh ausgestiegen war oder nicht investiert war, musste eine deutliche Underperformance hinnehmen:

Abbildung 1: Historische Entwicklung von Blasen; Quelle: BNP Paribas Exane
Abbildung 1: Historische Entwicklung von Blasen; Quelle: BNP Paribas Exane

Obwohl man das Platzen einer Blase nicht genau voraussagen kann, ist es für uns unerlässlich, Aspekte herauszufiltern, die eine Indikation für die aktuelle Marktphase geben. In der akademischen Literatur findet man eine Vielzahl von Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit man von einer Blase sprechen kann. Für uns haben folgende Kriterien eine Bedeutung: 


1) Eine massive Überbewertung: Wir schauen uns hierzu klassische Bewertungsmultiples an, wie das Shiller KGV, das Preis/ Umsatz-Verhältnis, sowie die Aktienrisikoprämie gegenüber risikolosen Anlageklassen


2) Günstige Liquiditätsbedingungen ausgelöst durch eine lockere Geldpolitik, welche eine zunehmende Verschuldung (Leverage) ermöglicht: Neben dem Geldmengenwachstum sind für uns auch die Finanzierungsbedingungen relevant


3) Eine neue Technologie, welche den Hype begünstigt und antreibt: Aktuell steht hierbei das Thema Künstliche Intelligenz (KI) im Mittelpunkt


4) Extreme Spekulation und Zuflüsse in gewisse Anlageklassen, die das Narrativ bedienen: Wir schauen hierbei auch auf diverse Sentiment-Indikatoren, die den Risikoappetit der Investoren widerspiegeln


5) Konzentration und abnehmende Marktbreite: Dabei stellt sich die Frage, welchen Anteil ein bestimmter Sektor oder die größten Einzeltitel am Gesamtindex haben. Mit Blick auf die aktuelle Situation ist hierbei vor allem die hohe Relevanz hochkapitalisierter amerikanischer Technologiewerte für den Gesamtmarkt nennenswert

 
6) Ein Boom der Unternehmensaktivität: Wir analysieren den IPO-Markt, M&A Transaktionsvolumen und schauen uns die Entwicklung neuartiger, spekulativer Instrumente (u.a. SPACs, Zero Day to Expiration Options) an


Dabei fokussieren wir uns aktuell vor allem auf den US-Aktienmarkt, welcher aus unserer Sicht mit Blick auf die Bewertung und die Marktkonzentration am anfälligsten für eine Blase scheint. So handelt der US-Aktienmarkt (auch ohne Big Tech) in Bezug auf das künftige KGV oberhalb des 90. Perzentils (siehe Abbildung 2), was maßgeblich dazu beiträgt, dass der All Country World Index inzwischen ein P/E Multiple von über 19x aufweist:

Abbildung 2: Bewertungsspanne einzelner Aktienregionen gemessen am P/E Multiple auf Basis der 12 Monatsschätzung; Quelle: FactSet, Goldman Sachs Global Investment Research
Abbildung 2: Bewertungsspanne einzelner Aktienregionen gemessen am P/E Multiple auf Basis der 12 Monatsschätzung; Quelle: FactSet, Goldman Sachs Global Investment Research

Die Marktkapitalisierung der zehn größten börsengelisteten US-Konzerne beträgt derzeit rund 24,5 Billionen USD und damit ein Vielfaches des EURO STOXX 50 bzw. des BIPs von Deutschland (siehe Abbildung 3): 

Abbildung 3: Die Top 10 US-Unternehmen dominieren die weltweiten Aktienmärkte; Quelle: IMF, FactSet, Goldman Sachs Global Investment Research
Abbildung 3: Die Top 10 US-Unternehmen dominieren die weltweiten Aktienmärkte; Quelle: IMF, FactSet, Goldman Sachs Global Investment Research

Trotz der sehr hohen Bewertungen, verfolgt die US-Regierung aktuell zum einen das Ziel weitere Deregulierungsmaßnahmen umzusetzen und zum anderen die Finanzierungskosten durch Zinssenkungen zu reduzieren. Dabei geht man offen auf Konfrontation zur bisherigen US-Geldpolitik und versucht, gezielt Einfluss zu nehmen. Dies scheint mit Blick auf die jüngsten DotPlots (Leitzinsprognosen der FOMC-Mitglieder) zu funktionieren, die nach der ersten Zinssenkung in diesem September zwei weitere Zinssenkungen für dieses Jahr prognostizieren. Zudem wird mit dem „One Big Beautiful Bill“ die US-Wirtschaft fiskalpolitisch weiter befeuert.

Wo stehen wir aus unserer Sicht?

Wir haben dazu eine Skala von 1-10 entwickelt (1 = grünes Licht, keine Blase in Sicht. 10 = alle Ampeln blinken rot, das Platzen steht unmittelbar bevor). Entsprechend der o.g. Indikatoren vergeben wir derzeit eine sieben. Aktuell ist die US-Aktienbewertung schon im Bubble-Bereich angekommen, allerdings muss deshalb eine Aktienblase nicht unmittelbar platzen. Gerade die großen Tech-Konzerne/ Hyperscaler (führende Betreiber von Rechenzentren, welche ihren Kunden Cloud-Infrastruktur und -Dienste zur Verfügung stellen) zeigen, dass sie in der Vergangenheit durchaus in der Lage waren die hohen Bewertungen zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite wird immer wieder davon berichtet, dass die aktuelle Aktienrally „the most hated bull run“ darstellt. Denn viele Marktteilnehmer partizipieren nicht übermäßig stark an dieser Rally. Dies zeigt sich auch mit Blick auf die Sentiment-Indikatoren, welche größtenteils im neutralen bis leicht bullishen Bereich verharren. Beispielsweise steht der von CNN veröffentlichte „Fear & Greed Index“ bei 52 (auf einer Skala von 0-100), der Bank of America Bull & Bear Indicator liegt bei 6,5 (auf einer Skala von 0-10). Ähnlich zeigt sich auch die Umfrage von American Association of Individual Investors (AAII) mit einem relativ neutralen Wert von 3,7 (alle Angaben Stand: 08.10.2025).

 
Demnach gilt unseres Erachtens aktuell das Motto "dancing until the music stops" (die berühmte Aussage des damaligen Citigroup-CEOs Chuck Prince im Jahr 2007). Wir sind zwar der Meinung, dass wir uns in einer Frühphase einer Blase befinden, allerdings kann diese noch zu deutlich höheren Kursen führen, weshalb es aus unserer Sicht noch zu früh ist, um auszusteigen. Daher halten wir in unserem globalen Multi Asset Fonds „T3 Global Allocation“ weiter an unserer konstruktiven Aktienmeinung mit einer Nettoaktienquote von ca. 58% fest (mögliche Maximalquote: 65%). Innerhalb der USA präferieren wir eine Kombination aus dem Gesundheitssektor, welcher innerhalb vieler Portfolios unterrepräsentiert ist und dem Technologiesektor, der im aktuellen Marktumfeld weiter vom positiven Investitionsumfeld profitieren sollte. Wir engagieren uns dabei im Besonderen bei Unternehmen mit konkreten KI-Einsatzmöglichkeiten sowie bei Unternehmen, deren Endmarktwachstum sich durch den KI-Trend beschleunigt. Darüber hinaus sehen wir auch Chancen in anderen Aktienregionen, wie z.B. in Europa, die eine deutlich günstigere Bewertung aufweist und von der expansiven Fiskalpolitik Deutschlands profitieren kann.

Zirkuläre Finanzierungsstrukturen als Warnzeichen?

Ein Faktor, welcher unseren internen Blasenindikator weiter in Richtung acht bewegen könnte, sind die neuartigen Finanzierungsstrukturen bzw. Geschäftsbeziehungen im Technologiesektor (siehe Abbildung 4), welche unter anderem direkte Unternehmensbeteiligungen sowie Umsatzbeteiligungen umfassen und dem Datencenterboom weiteres Momentum verliehen haben. An diesen Überkreuzbeteiligungen bedeutender KI-Pioniere wie NVIDIA oder OpenAI stören sich so manche Investoren, da sie unter Umständen zu einem kurz- bis mittelfristigen, nicht nachhaltigen Nachfrageschub nach KI-Prozessoren führen und die tatsächliche, organische Endmarktnachfrage gegebenenfalls verzerren. Nennenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem die Geschäftsbeziehung zwischen NVIDIA, OpenAI und Oracle. Hierbei investiert NVIDIA über mehrere Jahre hinweg bis zu 100 Milliarden US-Dollar in OpenAI und stellt Millionen von hochwertigen Grafikprozessoren bereit, während OpenAI Kontrakte mit Oracle bezüglich der Bereitstellung von Rechenkapazität im Wert von insgesamt deutlich über 100 Milliarden US-Dollar abschließt. Diese Rechenkapazität muss Oracle zunächst aufbauen und dürfte hierfür wiederum Bestellungen im Wert von vielen Milliarden US-Dollar bei NVIDIA aufgeben, sodass ein erheblicher Teil der Mittel letztlich wieder bei NVIDIA landet. Ein weiteres Beispiel ist das Abkommen zwischen dem Chipdesigner AMD und OpenAI, innerhalb von welchem OpenAI über mehrere Jahre hinweg KI-Prozessoren im Wert von vielen Milliarden US-Dollar von AMD beziehen wird und im Gegenzug schrittweise eine Beteiligung an AMD in Höhe von bis zu 10% der ausstehenden Aktien erhalten könnte. Da die volle Ausschöpfung der Rechte hierbei an die Kursentwicklung der AMD-Aktie geknüpft ist, welche sich für das Erreichen der 10%-Beteiligungsmarke vom aktuellen Kurs aus rund verdreifachen muss, besteht für OpenAI ein klarer Anreiz, AMD durch umfangreiche Aufträge zu stärken, um so dessen Börsenwert zu beflügeln. Diese Großaufträge könnten AMD im Gegenzug erlauben, im bisher von NVIDIA dominierten Markt für KI-Prozessoren Fuß zu fassen und die Lücke zum großen Wettbewerber etwas zu schließen. Während die Überkreuzbeteiligungen sicherlich der Interessenangleichung der involvierten Unternehmen dienen und den Fortschritt im Bereich der KI beschleunigen, bergen sie zugleich die Gefahr, dass Investitionen und Umsätze zunehmend innerhalb desselben Ökosystems zirkulieren, ohne auf realer Endmarktnachfrage zu beruhen. Bisher jedenfalls scheinen diese Strukturen die hohen Sektorbewertungen erfolgreich zu stützen, wobei unklar ist, wie lange der Trend gegenseitiger Beteiligungen anhält und ob Investoren hierfür weiterhin teils ambitionierte Unternehmensbewertungen akzeptieren werden.

Abbildung 4:  Finanzierungsstrukturen und Geschäftsbeziehungen innerhalb des Datencenter-Bereichs; Quelle: Morgan Stanley
Abbildung 4: Finanzierungsstrukturen und Geschäftsbeziehungen innerhalb des Datencenter-Bereichs; Quelle: Morgan Stanley

Was könnte dafür sorgen, dass die Blase platzt?

Unseres Erachtens wird die Notenbankpolitik entscheidend dafür sein, wann die Blase platzt. Die Vergangenheit hat gelehrt, dass die meisten Blasen nicht durch eine Überbewertung korrigiert wurden, sondern durch eine restriktivere Geldpolitik. Dies dürfte aus unserer Sicht kein Thema für 2025 sein, sondern frühestens im Jahresverlauf 2026 zum Problem werden, zumal die Investitionen in die KI-Infrastruktur derzeit massiv erhöht werden. Beispielsweise hat Meta kürzlich 29 Milliarden Dollar an den privaten Kreditmärkten für den Bau eines Datencenters eingesammelt; der bislang größte Deal dieser Art. Ein erstes Warnsignal ist die Pleite des US-Autoteileherstellers First Brands. Mit Verbindlichkeiten von mehr als zehn Milliarden Dollar (die überwiegend an den privaten Kreditmärkten eingesammelt wurden) gilt First Brands als eine der größten Pleiten in diesem Sektor. Unser Augenmerk richtet sich demnach vor allem auf die US-Inflation und den US-Arbeitsmarkt. Sollte sich die Inflation durch die Handelszölle, durch einen wiederaufkommenden Lohndruck oder durch externe Faktoren beschleunigen (in Richtung 4%), würde dies den Spielraum der FED deutlich einschränken. Analog dazu verhält es sich, wenn das Wirtschaftswachstum stark bleibt und zu einem Rückgang der Arbeitslosenquote führt. Aus Marktsicht macht es zudem Sinn sich aufkommende Divergenzen anzuschauen. Sofern der Aktienmarkt nur noch durch eine Handvoll Titel getragen wird und die Marktbreite spürbar abnimmt, ist Vorsicht angesagt. Ein anderes Warnsignal wäre eine steigende Volatilität in einem steigenden Aktienmarkt. Wir sehen also die US-Aktienblase nicht unmittelbar platzen und halten daher an unserer recht optimistischen Ausrichtung fest. Allerdings wären wir geneigt, im größeren Stile Gewinne im nächsten Jahr mitzunehmen, sofern sich die Anzeichen für eine größere Korrektur mehren.

Quellen:

Goldman Sachs Global Investment Research: “Why we are not in a bubble... yet”

BNP Paribas Exane: “A Brief History of Bubbles”

BofA Global Research: “Market’s moments still say no bubble yet…”

Handelsblatt 07.10.2025 „Schlimmer als die Finanzkrise? Märkte befürchten Multi-Blase“: https://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/boerse-inside/geldanlage-schlimmer-als-die-finanzkrise-maerkte-befuerchten-multi-blase/100160046.html?utm_source=sf&utm_medium=nl&utm_campaign=hb-morningbriefing&utm_content=08102025&key=0031t00000QAQOFAA5

Der Aktionär Ausgabe 39/25- „KI Mania“: https://www.boersenmedien.de/produkt/deraktionaer/der-aktionaer-3925-4313.html

Forbes: https://www.forbes.com/sites/mattdurot/2025/10/01/elon-musk-just-became-the-first-person-ever-worth-500-billion/

CNN Fear & Greed Index: https://edition.cnn.com/markets/fear-and-greed